COSIMA FILMTHEATER

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Wir zeigen heute,
Freitag, den 10.10.2025:


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ein ergreifendes Debüt

Karla

... seit dem Bundesstart am 2. Oktober im Cosima !

Mittwoch 15.10.


Mit ihrer ergreifenden Debütarbeit reüssierte Christina Tournatzés im Sommer 2025 beim Filmfest München. Gleich zwei Preise, den für die beste Regie und den für das beste Drehbuch (Autorin: Yvonne Görlach), gewann das auf einem wahren Missbrauchsfall basierende Drama „Karla“ in der Reihe „Neues Deutsches Kino“. Für Aufsehen sorgte nicht zuletzt die feinfühlige Darbietung von Jungschauspielerin Elise Krieps, die hier in ihrer ersten großen Leinwandrolle zu sehen ist.
Sexuellen Missbrauch anzuzeigen, gegen Übergriffe entschlossen vorzugehen, ist selbst heute, da das Thema sensibel behandelt wird, alles andere als leicht. Umso mehr Überwindung muss es einen Betroffenen vor 60 Jahren gekostet haben, eine derartige Erfahrung anzuprangern. Großen Mut beweist in „Karla“ die von Krieps verkörperte junge Titelheldin, die 1962 mit zwölf Jahren allein auf einem Münchener Polizeirevier erscheint und von den sexuellen Attacken ihres Vater Karl Ebel (Torben Liebrecht) berichtet.

Das Misstrauen des patriarchalen Systems schlägt ihr gleich mit voller Wucht entgegen. Ob sie ihrer Familie wirklich eine Anzeige zumuten wolle, möchte der Beamte wissen, der ihre Schilderungen offenkundig nicht ganz ernstnimmt. Karla lässt sich davon jedoch nicht beirren, bleibt bei ihrer Aussage und landet anschließend in einem kirchlich betriebenen Wohnheim für Mädchen, wo sie in Ada (Carlotta von Falkenhayn) eine Vertraute findet. Ihr nächstes Ziel: den Ermittlungsrichter Lamy (Rainer Bock) von ihrem Fall überzeugen, damit ihr Vater vor Gericht gestellt werden kann. Der Jurist tut sich anfangs sichtlich schwer, zumal die Zwölfjährige ihm einige Fakten schuldig bleibt. Mit der Zeit finden die beiden aber einen Weg, über die schrecklichen Erlebnisse zu kommunizieren und mit einem Bedürfnis nach Schweigen umzugehen.

„Karla“ zeigt beispielhaft, wie man sich einem schwierigen Thema wie dem des sexuellen Missbrauchs filmisch nähern sollte: unaufgeregt, dennoch eindringlich und mit einem genauen Blick für Details. Die Übergriffe selbst rücken nie konkret ins Bild, und bis weit in die zweite Hälfte bleibt die Figur des Vaters schemenhaft. Was die Gewalt mit Karla und ihrer Seele angerichtet hat, wird gleichwohl schmerzhaft deutlich. Unvermittelt über sie hereinbrechende Erinnerungsfetzen und eine plötzlich anschwellende Geräuschkulisse legen ihr aufgewühltes Innenleben immer wieder offen.

Hinzu kommt die bewegende Performance der Hauptdarstellerin. Besonders in stillen Augenblicken, in denen gar nicht viel passiert, präsentiert sich die Tochter der SchauspielerInnen Vicky Krieps und Jonas Laux unglaublich ausdrucksstark. Verletzlichkeit, Wut und den Willen zur Selbstermächtigung nimmt man der jungen Mimin jederzeit ab. Im leinwanderfahrenen Rainer Bock hat sie genau den richtigen Gegenpart, der Knorrigkeit und bürokratische Steifheit ebenso überzeugend transportiert wie echtes Einfühlungsvermögen. Ein schöner Anblick ist es etwa, wenn ihre so ungleichen Figuren nach einer Panikattacke Karlas auf einer Wiese sitzen und Lamy leise vor sich hin zu summen beginnt.

Jenseits des persönlichen Schicksals der Protagonistin erzählt das Drama, vor allem gegen Ende, auch einiges über die gesellschaftlichen Bedingungen und Zwänge der Handlungszeit. Karlas Mutter Viktoria (Katharina Schüttler) weiß, was ihre Tochter erlitten hat, schweigt allerdings, weil sie von ihrem Ehemann abhängig ist und das Bild der heilen Familie unbedingt aufrechterhalten will. Vor Gericht steht das Mädchen einer Männerriege gegenüber. Und wiederholt sieht sie sich in der Verhandlung misogynen Vorwürfen ausgesetzt, die eine Täter-Opfer-Umkehr vornehmen. Argumente, die leider auch heute noch in Missbrauchsfällen regelmäßig zu hören sind. Allein deshalb ist ein Film wie „Karla“ notwendig und hochrelevant.

Christopher Diekhaus (programmkino.de)

  • https://www.eksystent.com/karla.html